Der Weg zur biolöslichen Mineralwolle: Regulatorische Aspekte
In den letzten Jahrzehnten wurden von der Mineralfaserindustrie in der Europäischen Union viele neue Mineralwolltypen entwickelt. In diesem Zeitraum hat sich auch die Bewertung von Mineralwollen durch die Behörden verändert. Im Folgenden wird ein kurzer Überblick über den Stand der Vorschriften gegeben.
Was bedeutet der "Kanzerogenitätsindex" KI?
Der KI wurde in Deutschland 1994 als Hilfsmittel eingeführt, um Faserstäube aus Mineralwollen für eine arbeitsmedizinische Bewertung differenzieren zu können. Dieser Wert sollte einen Anhalt für die Löslichkeit von glasigen, silicatischen Fasern im Lungengewebe geben. Rechnerisch wird der KI aus der Differenz zwischen der Summe der Massengehalte (in %) der Oxide von Natrium, Kalium, Bor, Calcium, Magnesium, Barium und dem doppelten Massengehalt (in %) von Aluminiumoxid bestimmt.
KI = Σ Na, K, B, Ca, Mg, Ba-Oxide - 2 x Al-Oxid
Was hat sich seit 1994 geändert?
Im Jahr 1997 wurde die EU-Richtlinie 97/69 EG zur Einstufung künstlicher Mineralfasern einschließlich Mineralwolle verabschiedet. In ihr sind die europaweit verbindlichen Kriterien für eine Einstufung bzw. Nichteinstufung als krebserzeugend festgelegt (Legaleinstufung). In Anlage 1 sind die Kriterien aufgeführt.
Der KI ist kein Kriterium nach EU-Recht.
Parallel und ergänzend zur Legaleinstufung sind in Deutschland drei gleichberechtigte Kriterien festgelegt worden, die Faserstäube hinsichtlich einer krebserzeugenden Wirkung für die Belange des Arbeitsschutzes bewerten. Demgemäß mussten Mineralwollen (beim Herstellen, Verarbeiten und Inverkehrbringen) eines der folgenden drei Kriterien erfüllen. Sie waren in der Gefahrstoffverordnung bzw. Chemikalienverbotsverordnung wie folgt festgelegt worden:
- ein geeigneter Intraperitonealtest hat keine Anzeichen von übermäßiger Kanzerogenität zum Ausdruck gebracht,
- die Halbwertszeit nach intratrachealer Instillation von 2 mg einer Fasersuspension für Fasern mit einer Länge größer 5 Mikrometer, einem Durchmesser kleiner 3 Mikrometer und einem Länge-zu-Durchmesser-Verhältnis von größer 3 zu 1 (WHO-Fasern) beträgt höchstens 40 Tage,
- der Kanzerogenitätsindex KI, der sich aus der Differenz zwischen der Summe der Massengehalte (in %) der Oxide von Natrium, Kalium, Bor, Calcium, Magnesium, Barium und dem doppelten Massengehalt (in %) von Aluminiumoxid ergibt, ist bei künstlichen Mineralfasern mindestens 40.
Aktueller Stand zur Einstufung und Bewertung von Mineralwollen
Da der Kanzerogenitätsindex KI nie ein Kriterium für eine Freizeichnung hinsichtlich der Kanzerogenität von Mineralwollen nach EU-Recht (Legaleinstufung) war, wurde dieser in den aktuellen Versionen der Gefahrstoffverordnung vom 2.12.2024 im Anhang II unter Nummer 5 sowie in der Chemikalienverbotsverordnung vom Januar 2017 im Anhang I unter Eintrag 4 als Freizeichnungskriterium gestrichen.
In Anlage 2 ist der vollständige Wortlaut von Anhang II Nr. 5 Gefahrstoffverordnung zitiert.
Nach den Unterlagen der Gütegemeinschaft Mineralwolle sind alle in Deutschland eingesetzten Mineralwollen, die für Wärme- oder Schalldämmung eingesetzt werden, aufgrund eines Biopersistenztestes freigezeichnet worden.
Die Beurteilung einer eingebauten Mineralwolle anhand des KI-Wertes erbrachte daher oft eine falsch negative Bewertung.
Anlage 1
EU Kriterien, Anmerkung Q
Die Einstufung als kanzerogen ist nicht zwingend, wenn nachgewiesen werden kann, dass der Stoff eine der nachstehenden Bedingungen erfüllt:
- Mit einem Kurzzeit-Inhalationsbiopersistenztest wurde nachgewiesen, dass die gewichtete Halbwertszeit der Fasern mit einer Länge von über 20 µm weniger als 10 Tage beträgt.
- Mit einem Kurzzeit-Intratrachealbiopersistenztest wurde nachgewiesen, das die gewichtete Halbwertszeit der Fasern mit einer Länge von über 20 µm weniger als 40 Tage beträgt.
- Ein geeigneter Intraperitonaltest hat keine Anzeichen von übermäßiger Karzinogenität zum Ausdruck gebracht.
- Bei einem geeigneten Langzeit-Inhalationstest blieben eine relevante Pathogenität oder neoplastische Veränderungen aus.
Anlage 2
Anhang II, Nummer 5 der GefStoffV
(1) Zu Zwecken der Wärme- und Schalldämmung, für den Brandschutz sowie für technische Dämmung im Hochbau, dürfen weder hergestellt noch verwendet werden:
- künstliche Mineralfasern, die aus ungerichteten glasigen (Silicat-)Fasern mit einem Massengehalt von über 18 Prozent an Oxiden von Natrium, Kalium, Calcium, Magnesium und Barium bestehen, sowie
- Gemische und Erzeugnisse, die die Stoffe nach Nummer 1 mit einem Massengehalt von insgesamt mehr als 0,1 % enthalten.
(2) Absatz 1 gilt nicht
1. für künstliche Mineralfasern, wenn
a) ein geeigneter Intraperitonealtest keine Anzeichen von übermäßiger Kanzerogenität ergeben hat
oder
b) die Halbwertzeit nach intratrachealer Instillation von 2 Milligramm einer Fasersuspension für Fasern mit einer Länge von mehr als 5 Mikrometer, einem Durchmesser von weniger als 3 Mikrometer und einem Länge-zu-Durchmesser-Verhältnis von größer 3 zu 1 (WHO-Fasern) höchstens 40 Tage beträgt, sowie
2. für Glasfasern, die für Hochtemperaturanwendungen bestimmt sind, die
a) eine Klassifikationstemperatur von 1000 Grad Celsius bis zu 1200 Grad Celsius erfordern und eine Halbwertzeit nach intratrachealer Instillation von höchstens 65 Tagen besitzen oder
b) eine Klassifikationstemperatur von über 1200 Grad Celsius erfordern und eine Halbwertzeit nach intratrachealer Instillation von höchstens 100 Tagen besitzen.
(3) Spritzverfahren, bei denen krebserzeugende Mineralfasern verwendet werden, sind verboten.
(4) Die Absätze 1 bis 3 gelten auch für private Haushalte.